ALTERNATIVMEDIZIN

„Singen macht gesund…“

 

Jeder von uns hat es wohl schon erlebt – vielleicht gespeichert im Unterbewusstsein – wenn die Mutter das Wiegenlied, „Guten Abend, gute Nacht“ sang oder wir einen Song von Michael Jackson und anderen Popsängern gehört oder gesungen haben, der einem nicht mehr aus dem Kopf ging: das Singen versetzt uns in eine gute Stimmung, erheitert, macht fröhlich.
Warum ist das so? In unserem Kehlkopf sind zwei wundersame Schleimhäute eingebaut, die Stimmlippen. Wenn sie zu schwingen beginnen, ertönt ein Laut. Der erste Schrei des Neugeborenen ist das beste Beispiel für den Eintritt des Menschen in die Welt: Von nun an will er unwiderruflich gehört und vernommen werden.


Das Ohr – Beziehungs- und Interaktionsorgan
Doch zuvor hat sich entwicklungsgeschichtlich ein Organ gebildet, das erste ausgebildete Sinnesorgan überhaupt, das schon wenige Wochen nach der Befruchtung im Embryo sichtbar wird: das Ohr mit seinem komplexen Gehörgang.
Es nimmt bereits ganz früh im Mutterleib Schwingungen wahr, auf die der noch winzige Körper reagiert und von denen er mitgeprägt wird. Jedoch können wir uns erst nach der Geburt selbst stimmlich äußern, auf Um­­weltreize reagieren und entsprechend Wohlbefinden oder Missempfindung kundtun.
Ist es nicht eines jener unglaublichen Schöpfungsgeheimnisse, dass der Eigenklang unserer Stimme einmalig, unverwechselbar und auf natürlichem Wege nicht reproduzierbar ist? Über das Ohr wird die Stimme zum Beziehungs- und Interaktionsorgan des Menschen. Nun kann er mit der Umwelt kommunizieren und seiner Seele Ausdruck verleihen.


Yehudi Menuhin, der große Geigenvirtuose
Menuhin hat für das Ur-Instrument des Menschen – seiner stimmlichen Äußerung im Gesang – die ergreifenden Sätze geschrieben:
„Das Singen ist die eigentliche Muttersprache aller Menschen: denn sie ist die natürlichste und einfachste Weise, in der wir ungeteilt da sind und uns ganz mitteilen können – mit all unseren Erfahrungen, Empfindungen und Hoffnungen.
Das Singen ist zuerst der innere Tanz des Atems, der Seele, aber es kann auch unsere Körper aus jeglicher Erstarrung ins Tanzen befreien und uns den Rhythmus des Lebens lehren.
Das Singen entfaltet sich in dem Maße, wie es aus dem Lauschen, dem achtsamen Hören erwächst. Singend können wir uns darin verfeinern, unsere Mitmenschen und unsere Mitwelt zu erhören.
Singen birgt nun unvergleichlich das noch schlummernde Potential in sich, wirklich eine Universalsprache aller Menschen werden zu können:
Im Singen offenbart sich der gesamte Sinn- und Sinnenreichtum der Menschen und Völker.“
Diese Sätze stammen aus einer Abhandlung mit der Überschrift „Zur Bedeutung des Singens“. Yehudi Menuhin hat die Vision oder besser gesagt die Real-Utopie, über die Universalsprache des Singens – den „Canto del mondo“ – die Menschen zusammen zu führen und so den Frieden in der Welt zu fördern.


Was passiert nun eigentlich beim Singen?
Mit immer feineren Methoden konnte die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten herausfinden, dass das Singen den Level einer ganzen Reihe wichtiger Hormone wie das Melatonin, das DHEA oder das Oxytocin erhöht und sogar bestimmte Immunglobuline anregt.
Mit der Ausschüttung von Endorphinen und dem Neurotransmitter Dopamin senkt der Körper das Adrenalin, das für erhöhten Stress verantwortlich ist. So schafft sich der Körper über das Singen seine eigene „Gesundheitsapotheke“. Hinzu kommen noch positive Wirkungen auf die gesamte Muskulatur, Lunge und Zwerchfell werden trainiert und gestärkt.


Seele in Balance
Wie über diese rein biochemisch-körperlichen Vorgänge hinaus letztendlich auch die Seele wieder in ihr inneres Gleichgewicht findet und zur Ruhe kommt, hat der Dichter Adalbert von Chamisso (1781-1838) poetisch und überzeugend zum Ausdruck gebracht:
„Hab einsam auch mich gehärmet in bangem, düsterm Mut und habe wieder gesungen, und alles war wieder gut.
Und manches, was ich erfahren, verkocht ich in stiller Wut, und kam ich wieder zu singen, war alles auch wieder gut.“
In dem sehr lesenswerten Buch „Die heilende Kraft des Singens“ von Wolfgang Bossinger finden Sie vieles, was ich hier nur kurz skizzieren konnte, ausführlich dargestellt.

Johannes Zeise-Wallbrecher
Gründer und Inhaber der Klösterl-Apotheke

„Jeder Mensch, der sprechen kann, kann auch singen. Singen in seiner Eigenschaft als innerer Therapeut erhebt keinerlei Anspruch auf Güte, Qualität oder gar Perfektion. Singen befreit uns und fördert unsere Gesundheit – an jedem Ort zu jeder Zeit – ein Naturgesetz.“