ATMUNG

Eine lebenswichtige Nebensächlichkeit

 

Mögest Du immer
Luft zum Atmen,
Feuer zum Wärmen,
Wasser zum Trinken
und Erde zum Leben haben.

So lautet eine Weisheit aus Lateinamerika. Während wir diese Zeilen lesen, sind schon wieder einige Atemzüge vergangen. Unser Körper hat keine Möglichkeit, Sauerstoff zu speichern, deswegen sind wir auf eine regelmäßige funktionierende Atmung angewiesen. Allerdings läuft diese im besten Fall so automatisch ab, dass wir sie gar nicht bemerken. Erst wenn sie gestört ist, durch einen grippalen Infekt, durch belastete Atemluft oder durch eine Grunderkrankung der Atemwege werden wir auf den hohen Stellenwert einer funktionierenden Atmung aufmerksam.

Atmung
Die Atmung ist ein lebenswichtiger biologischer Prozess. Über die oberen und unteren Atemwege wird die sogenannte äußere Atmung, die Aufnahme von Sauerstoff (O2) in den Körper, dessen Übergang ins Blut und der Austausch gegen das Stoffwechselendprodukt Kohlenstoffdioxid (CO2) gesteuert. Über das Blut erfolgt der Transport des Sauerstoffs in alle Körperzellen. Dort folgt die sogenannte innere Atmung, auch Zell-atmung genannt. In den Mitochondrien wird der Sauerstoff für die Verbrennung der über die Nahrung aufgenommen Nährstoffe und damit zur Energieproduktion benötigt.

Der Respirationstrakt
Unsere Atmungsorgane sind funktional nacheinander angeordnet. Mund, Nase, Nebenhöhlen und Rachenraum zählen zu den oberen Atemwegen. Kehlkopf, Luftröhre und das Bronchialsystem der Lunge bilden die unteren Atemwege.
Dieses System ist eine Eintrittspforte für Fremdstoffe: Zusammen mit der Luft passieren bei jedem Atemzug auch Pollen, Staubpartikel, Tröpfchen, reizende Schadstoffe und mikroskopisch kleine Krankheitserreger den Atemtrakt. Aus diesem Grund ist das gesamte System mit einer hochspezialisierten schützenden Schleimhaut, dem Flimmerepithel, ausgekleidet. Becherzellen produzieren einen dünnflüssigen farblosen Schleim, an dem kleine Partikel aus der Atemluft haften bleiben und mithilfe der wogenden Bewegungen der Flimmerhärchen in Richtung Rachenraum abtransportiert werden können. Dort werden die gebundenen Fremdpartikel meist unwillkürlich geschluckt und so unschädlich gemacht.
Wenn das Flimmerepithel in seiner Funktion gestört ist, z.B. durch Rauchen oder einen grippalen Infekt, initialisiert das Gehirn Husten zur Reinigung des Bronchialtrakts.

Aufbau der Lunge
Die Lunge ist in den Brustkorb eingebettet. Nach oben vom Schultergürtel geschützt, wird sie nach vorne von den Rippen eingerahmt. Ihr Aufbau erinnert an einen umgedrehten Baum, es wird auch vom „Bronchialbaum“ gesprochen.
Den Stamm bildet die Luftröhre, die sich in zwei Hauptbronchien aufteilt. Diese führen in die Lungenflügel und gabeln sich dort in immer feinere Verästelungen auf, bis sie in den traubenförmig dicht gepackten Lungenbläschen (Alveolen) enden. Die Lungenbläschen – ein gesunder Erwachsener verfügt über ca. 300 Millionen Stück – sind auf der Körperseite von einem Netz feiner Blutgefäße überzogen und zeichnen sich durch eine sehr dünne Zellschicht aus, die mit einem empfindlichen Flüssigkeitsfilm, Surfactant genannt, überzogen ist. Dieser fragile Aufbau gewährleistet einen so minimalen Widerstand, dass die Diffusion der Atemgase ermöglicht wird.

Gasaustausch in den Lungenbläschen
Alle Zellen des menschlichen Organismus sind auf eine ständige Sauerstoffzufuhr und einen konstanten Abtransport des verbrauchten Sauerstoffs in Form von Kohlendioxid angewiesen. Diese Aufgaben erfüllt der Respirationstrakt in Zusammenarbeit mit dem Kreislaufsystem. Unser Herz pumpt das sauerstoffarme, dafür kohlendioxid­reiche Blut über die rechte Herzkammer in Richtung Lunge. In immer feiner werdenden Blutgefäßen gelangt es schließlich zu den Blutkapillaren der Lungenbläschen. Durch die unterschiedlichen Konzentrationen kann hier sowohl Sauerstoff (O2) aus der eingeatmeten Luft in das sauerstoffarme Blut diffundieren als auch Kohlenstoffdioxid (CO2) aus dem Blut in die Alveolen und damit in die zum Ausatmen bereite Luft übergehen.
Nach dem Austausch wird das nun sauerstoffreiche Blut über die linke Herzkammer im gesamten Körper verteilt.

Steuerung der Atmung
Im Gehirn laufen alle Informationen zusammen. Über Rezeptoren werden der CO2-Gehalt des Blutes aber auch Blut-pH und Sauerstoffgehalt gemessen. Das Atemzentrum im Hirnstamm wertet diese Daten aus und steuert dementsprechend die Atmung. Pro Minute atmen wir so in Ruhe ganz automatisch ca. 10- 15mal ein und aus.
Zum Einatmen muss die Lunge gedehnt werden. Durch Muskelkontraktion wird der Brustkorb geweitet: die Zwischenrippenmuskulatur hebt den Brustkorb an (Brustatmung), durch die Kontraktion des Zwerchfells wird der Bauchraum nach unten erweitert (Bauchatmung).
Brustkorb und Zwerchfell werden nach innen von einer dünnen Membran, dem Rippenfell, ausgekleidet. Dieses ist durch einen Flüssigkeitsfilm mit dem Lungenfell verbunden, einer schützenden Haut, die die Lungenflügel umgibt. Ähnlich wie 2 Glasscheiben, die mit etwas Flüssigkeit aneinander haften und doch problemlos verschoben werden können, übertragen diese beiden Membranen (lat.: Pleura) die Bewegungen der Muskulatur auf die Lunge. Hebt sich nun das Rippenfell durch die Kontraktion der Muskulatur, wird das Lungenfell mitgezogen, es entsteht ein Unterdruck und Luft wird in die Lunge gesogen.
Beim Erschlaffen der Muskulatur reduziert sich die Ausdehnung des Brustkorbs. Der Raum, den die Lunge einnehmen kann, verkleinert sich, wodurch die Luft aus der Lunge herausgepresst wird.
Pro Atemzug werden durch diesen Vorgang in Ruhe 0,5 Liter Luft in die Lunge gesogen und wieder ausgestoßen. Allerdings können wir natürlich auch willentlich Einfluss auf die Atmung nehmen und durch Aktivierung z.B. der Bauchmuskulatur stärker ausatmen oder tiefer einatmen. Bei intensiver sportlicher Verausgabung oder körperlicher Arbeit kann der Bedarf an Atemluft im Ruhezustand von
6-9 Liter auf bis zu 50-100 Liter pro Minute ansteigen.

Die innere Atmung
Im Blut wird der Sauerstoff gebunden an eisenhaltige Strukturen, die Bestandteil des Hämoglobins der roten Blutkörperchen sind, transportiert. Nach Aufnahme in die Körperzellen dient er in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle, als wichtiger Reaktionspartner für die Energiegewinnung.
Die Mitochondrien sind hochspezialisierte Zellorganellen und besitzen eine ganz besondere Enzymausstattung. Im Verlauf von komplexen biochemischen Reaktionsketten (u.a. der Atmungskette und des Citratzyklus) werden hier Kohlehydrate und Fette aus der Nahrung mithilfe des Sauerstoffs oxidativ abgebaut. Die hierdurch frei werdende Energie wird in energiereichen Bindungen in einem Molekül namens ATP (Adenosintriphosphat) gespeichert und kann in dieser Form für verschiedenste Zellaufgaben genutzt werden.
Im Verlauf dieser Reaktionsketten entstehen hochreaktive radikalische Zwischenstufen, die zur unkontrollierten Oxidation von Zellstrukturen führen könnten. Daher verfügen die Mitochondrien über viele Schutzmechanismen, um diesen oxidativen Stress zu bewältigen.

Energie zur Aufrechterhaltung der Zellfunktionen
ATP ist die wichtigste „Energiewährung“ unserer Zellen. Nur durch eine kontinuierliche Zufuhr dieser Energie können unsere Zellen ihre komplexen Aufgaben erledigen.
Der gesamte Energiebedarf unseres Körpers setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen:
Der Grundumsatz bezeichnet diejenige Energiemenge, die für die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen (Kreislauf und Atmung), einer gleichmäßigen Körpertemperatur und der Funktion von Leber und Nieren notwendig ist.
Unter Erhaltungsbedarf versteht man die zusätzliche Energiemenge, die für die Aufnahme, Verdauung und Resorption der Nahrung, die Regeneration von Geweben sowie für alltägliche Bewegungsabläufe (z.B. Sitzen, Aufstehen, Waschen, Anziehen etc.) notwendig ist.
Die Energiemenge, die zusätzlich für körperliche Aktivität und besondere physiologische Leistungen wie Wachstum, Schwangerschaft und Stillzeit notwendig ist, wird Leistungsbedarf genannt.

Autorin
Maria Keller


Apothekerin in der Klösterl-Apotheke
„Es herrscht dicke Luft.“ – „Da bleibt einem ja die Luft weg!“ – „aus der Luft gegriffen“ – „in die Luft gehen“ – „in der Luft hängen“ – „sich Luft verschaffen“ – „einer Sache Luft machen“ – „so wichtig wie die Luft zum Atmen“:
In unserem alltäglichen Sprachgebrauch nimmt die Luft auffallend viel Raum ein, auch ein Zeichen für ihren ganz besonderen Stellenwert in unserem Leben.