Menstruationszyklus

Signale als Wegweiser

Menstruation verstehen - für Jungs und Mädchen.

 

Jeder kennt von klein auf das Signal Hunger, bei dem wir ein Bauchgrummeln wahrnehmen. Ganz klar spüren wir unsere Blase, wenn wir auf die Toilette müssen, ohne dass uns vorher jemand gezeigt hat, wo die Blase im Körper sitzt. In der Pubertät nehmen Mädchen bereits äußerliche Veränderungen wie die Intimbehaarung und das Brustwachstum wahr. Und dann kommt der Tag der ersten Monatsblutung, die Menarche. Ein monatlicher Kreislauf beginnt, in dessen Verlauf der weibliche Körper neue Signale sendet, die das Mädchen noch nicht zu deuten weiß. Plötzlich zieht der Bauch. Gerade waren die Sprüche der Freunde noch lustig, und von einer Sekunde auf die andere ist einem grundlos nach Weinen zumute. Das Mädchen erntet von ihrem Umfeld fragende, vielleicht sogar verständnislose Blicke.

Der weißliche Ausfluss in der Unterhose und die während der Periode eventuell auftretenden Kopfschmerzen oder Unterleibskrämpfe sind keine Krankheitssymptome, sondern Signale des Körpers mit der Bitte, in sich hinein zu spüren und zu fragen: Was passiert mit mir und in mir? An welchem Tag des Monatszyklus stehe ich, und kann ich mir damit erklären, was gerade mit mir los ist? Es ist so wichtig, wenn jedes Mädchen den Ablauf seines Menstruations­zyklus kennt. Ebenso ist dieses Wissen für Jungs wertvoll, einerseits um das „weibliche Geschlecht“ besser zu verstehen, andererseits ist das Entstehen neuen Lebens, der Grundgedanke des Menstruationszyklus, ohne das „männliche Geschlecht“ schlichtweg nicht möglich. Also los:

Der Menstruationszyklus:
Er beginnt am ersten Tag der Periode (Menstruation), die gewöhnlich ca. 5 Tage anhält (Bild 2). Danach beginnt die Follikelphase.

Die Follikelphase – 5. bis 15. Tag:
Im kleinen Becken der Frau, unterhalb des Bauchnabels, eingebettet zwischen Darm, Blase und Bauchwand befinden sich Eierstöcke, Eileiter, Gebärmutter und Scheide (Bild 1).
Von Geburt an liegen in den beiden Eierstöcken (Ovarien) ca. 400.000 Eizellen bereit. Im Alter von 11 bis 16 Jahren werden die ersten 20 bis 25 Eizellen aus ihrem „Dornröschenschlaf“ geweckt. Dabei wachsen sie, unter dem Einfluss des Follikelstimulierenden Hormons (FSH) aus dem Gehirn, in einem der beiden Eierstöcke heran. Jede Eizelle ist zum Schutz von einem mit Flüssigkeit gefüllten Bläschen, dem Follikel, umhüllt. In den Ovarien wird das Hormon Estradiol gebildet (ein Östrogen, wie es auch Estron und Estriol sind). Estradiol baut die vorhandene Schleimhautschicht der Gebärmutter (Uterus) um eine weitere Schicht, dem Endometrium, auf und steuert die Bildung von Zervixschleim am Gebärmutterhals.


Ovulation (Eisprung) – um den 15. Tag:
Der Estradiolspiegel ist so hoch angestiegen, dass das Gehirn Luteinisierendes Hormon (LH) ausschüttet und den Eisprung einläutet. Nur eine Eizelle dominiert und wächst zu ihrer vollen Größe heran. Sie ist mit 0,1 mm die größte menschliche Zelle und wäre mit bloßem Auge erkennbar. Allerdings hat sie die kürzeste Lebenszeit von allen, nur 12 bis 18 Stunden. Am Tag des Eisprungs platzt das Follikelbläschen auf und die Eizelle wird von dem fingerförmig ausgebreiteten Eileiter aufgenommen. Frauen können dabei ein Ziehen im Unterleib und in den Beinen spüren, den Mittelschmerz.

Lutealphase – 15. bis 28. Tag:
Das zurückbleibende Bläschen wandelt sich zum Gelbkörper um und bildet nun das Hormon Progesteron, das dem Gehirn signalisiert, keine weitere Eizelle heranwachsen zu lassen. Unter dem Einfluss von Progesteron wird das Endometrium dicker, stärker durchblutet und mit Nährstoffen angereichert. Der Anstieg des Progesteronspiegels am Eisprung lässt die Körpertemperatur um ca. 0,5 Grad Celsius ansteigen.

Für die nun im Eileiter wandernde Eizelle ergeben sich zwei Möglichkeiten:
1. Die Gleichung des Lebens geht auf und die Eizelle trifft auf männliche Spermien, die wenige Tage vor oder genau am Tag des Eisprungs über die Scheide zum Muttermund gelangt sind. Der bereits in der Follikelphase ausgeschiedene Zervixschleim verlängert die Lebenszeit der Spermien um bis zu fünf Tage und erleichtert den Transport der Spermien zum Eileiter, wo die Eizelle und ein Spermium verschmelzen. Die befruchtete Eizelle wandert sodann in die Gebärmutter und nistet sich in der Schleimhaut ein. Sofort wird dem Gehirn eine Botschaft in Form des Hormons HCG (Human Chorion Gonadotropin) übermittelt, dass nun eine Schwangerschaft aufrecht zu erhalten ist.
Progesteron wird weiter gebildet.
2. Die Eizelle verbringt ihr kurzes Leben einsam im Eileiter und löst sich dann unbefruchtet auf. Der Gelbkörper bildet kein Progesteron mehr und verkümmert, wodurch das Gehirn wieder beginnt, FSH und LH auszuschütten, um eine neue Eizelle heranwachsen zu lassen. Die Muskeln des Uterus ziehen sich zusammen und das Endometrium wird abgestoßen: Die Periode beginnt. Dabei werden zwischen 50 und 80 ml Blut und Schleimhautzellen ausgeschieden, die über Binden, Tampons oder andere Montagshygieneartikel aufgefangen werden können.

Zwischen 24 und 35 Tage kann ein Menstruationszyklus i.d.R. dauern. Während der Eisprung zwischen dem 11. und 19. Tag liegen kann, dauert die anschließende Lutealphase konstant 14 bis 16 Tage.
Aus den Lebenszeiten von Spermien und Eizelle ergibt sich, dass die Frau fünf Tage vor der Ovulation bis einen Tag danach fruchtbar ist und schwanger werden kann (begleitende Signale siehe Bild 2).


Durch das Führen eines Regelkalenders (erleichtert über Apps,  siehe Beitrag "Schluss mit der Rechnerei"), in dem alle Signale vermerkt werden, die den persönlichen Menstruationszyklus ausmachen, lernt das Mädchen seinen Körper und dessen Signale kennen.

Unabhängig davon, ob der Wunsch nach einem Kind im Leben eines Mädchens je eine Rolle spielen wird: Nimmt ein Mädchen seinen Körper wahr, wie er in jeder Phase des Menstruationszyklus auf unterschiedlich Hormone, Stress, sowie familiär, kulturell oder gesellschaftlich geprägte Einflüsse reagiert, erkennt das Mädchen, in welcher Phase was am besten gelingt. Das Stillen der Bedürfnisse, die hinter jedem Signal stehen, liefert Energie. So, wie wir essen, wenn unser Bauch grummelt. Sich in seiner Weiblichkeit zu lieben und die Menstruation als Teil der gesunden Körperfunktion wahrzunehmen, macht vor allem das eigene Leben, aber auch das der Mitmenschen leichter. ƒ

Bettina Wadewitz_250px

Autorin
Bettina Wadewitz
Apothekerin
»Als es bei mir soweit war und ich meine erste Monatsblutung bekam, wurde mir die Schublade mit den Binden gezeigt und mir hinter vorgehaltener Hand zugeflüstert: „Deine Tage bekommst Du jetzt jeden Monat. Jetzt bist Du eine Frau und kannst Kinder kriegen!“ Das war‘s. Schön, dass wir als Eltern heute über die Themen Menstruation und Sexualität mit unseren Töchtern, aber auch Söhnen, viel offener sprechen und damit dieses Tabu brechen.«