Lebenszyklen

Das Leben jonglieren

 

Definition „Mittleres Alter
Während die klassische Definition von „middle age“ eher die Lebensmitte, also von 45 bis 65 Jahren, darstellt, definieren wir hier im Klösterl-Journal die „middle ager“ von 30 bis knapp 50 Jahren, also den jungen reifen Erwachsenen. Seit einigen Jahren hält sich die Ansicht, die damaligen 40er sind heute die 50er, die mit Lebenslust, meist monetärer Zufriedenheit, mitten im Leben und Beruf stehen. Deswegen setzen wir die Grenze unserer Definition nach hinten bei 50

„Wenn ich groß bin, will ich auch Spießer werden“
In dieser Phase ist das Studium oder die erste Ausbildung beendet. Meist hat man in mehreren Unternehmen Praktika absolviert, hat nun seinen Job, verdient regelmäßiges Geld, denkt an einen Hauskauf, oder hat sich seine Wohnung bewusst in einem familienfreundlichen Umfeld gesucht, die Kinder sind da, meist noch klein, wenn das mit dem Kinderwunsch geklappt hat. Das Bewusstsein für regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, verantwortungsbewusstes Handeln hat sich entwickelt, und es ist erstrebenswert, all die verschiedenen Tätigkeiten in den unterschiedlichen Rollen unter einen Hut zu bekommen und eine gute Work-Life-Balance zu praktizieren. Wie schon die Werbung eines bekannten Unternehmens sagt, kann es angenehm sein, ein etabliertes, „spießiges“ Leben zu führen.

Stressfaktoren
Leider schaut die Realität oft anders aus. Viele junge Familien stehen unter Dauerstress; denn für Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedarf es eines absoluten Feingefühls und auch der Übung, die Balance bei all den verschiedenen Aktivitäten und Rollen zu halten. Manchmal erkennen wir die eigenen und die Bedürfnisse im Familiensystem erst, wenn das Leben aus der Balance geraten ist. Hinzu kommt die Schnelllebigkeit unserer Zeit, mit Strahlenbelastung der elektronischen Medien oder Umweltgiften, die den Körper, den Geist und die Seele noch schneller aus dem Gleichgewicht geraten lassen. Der Begriff „Resilienz“, also die Widerstandsfähigkeit und die Fähigkeit, mit dem „Gegenwind“ des Lebens umzugehen, ist im Zusammenhang der Stressbewältigung gerade in aller Munde.

Immer nur „Action“?
Viel Aktion heißt auch viel Stimulation des sympathischen Nervensystems. Bleibt die Ansprache des parasympathischen Nervensystems aus, so führt der mangelnde Ausgleich zwischen Aktion und Ruhe zu Störungen des körperlich-seelisch-geistigen Gleichgewichts. Den Parasympathikus sprechen wir an mit Entspannen, Nichts-Tun, sich ohne Sinn und Ziel nicht anstrengenden Tätigkeiten widmen, die die rechte Gehirnhälfte ansprechen, also Kunst, Musik, Bewegung, Sprachen, Poesie. Vorsicht: Wird die Entspannung wieder zum Programmpunkt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es doch eher wieder eine „sympathische“ Tätigkeit ist. Ist der Sympathikus erst einmal am Laufen, fällt es vielen schwer, überhaupt noch zu entspannen. Ruhe zu geben, wirklich nichts zu tun und Löcher in die Luft zu starren, scheint für uns Menschen heutzutage eine echte Herausforderung zu sein.

„Aus einer leeren Tasse kann man nicht trinken“
Verpasst man den Zeitpunkt der Erholung, ordnet die Tätigkeiten falsch ein, die eigentlich zur Entspannung führen sollen, aber doch wieder Stress erzeugen, so dauert es meist nicht allzu lange, bis der Körper Alarm schlägt. Wenn die Batterien leer sind, äußert sich das in Schlafstörungen, Müdigkeit, Konzentrations­abfall, Abnahme der Denkfähigkeit, Leistungstiefs, in einem angespannten Nervensystem, Gereiztheit, Nah-am-Wasser-gebaut-Sein, oder in noch mehr Schnelligkeit und Aktivismus. Körperlich gibt es zudem meist Magen-Darm-Probleme, Kopfschmerzen, Schwindel, Kreislaufbeschwerden, Unruhe, Tinnitus und vieles mehr. Bricht das Leben zusammen, nennt man es „Burnout“ oder medizinisch „Erschöpfungsdepression“.
Halten Sie also Ihre „Tasse“ gefüllt und seien Sie ruhig mal ein bisschen „egoistisch“. Allgemein ist Egoismus negativ besetzt, allerdings kann es nicht schaden, ein gesundes Energiemanagement zu betreiben, um den eigenen Energiehaushalt im Gleichgewicht zu halten. Erst wenn man selbst gefüllt ist, kann man wieder für die anderen da sein. „Liebe Dich selbst und dann Deinen Nächsten…“

Sinnhaftigkeit
Was auch zum Stress führen kann, ist das Fehlen der Lebensbestimmung, eines Sinns des Lebens, selbst wenn das Leben im mittleren Alter gut eingerichtet ist, wir immer wieder nach Balance streben und dies auch gelingt. Diesen Sinn zu erkennen ist in dem Strudel des Alltags oft gar nicht leicht. Da hilft einem manchmal dann sogar eine körperlich-seelische Dysbalance, weil sie uns in die Ruhe zwingt. Den Sinn des Lebens erkennt man meist in der Ruhe, wenn man einen guten Kontakt zu sich selbst, seinen Bedürfnissen, Wünschen, Träumen hat, wenn man die Seele flüstern hört, bevor der Körper schreien muss. Manchmal schreit der Körper auch, wenn man von seinem ureigenen Weg abgekommen ist, wenn die Bestimmung eine andere ist. Bewiesen ist jedenfalls: Wer Sinn in seinem Tun findet, ist nicht nur erfüllt vom Leben, sondern auch weniger gestresst. ƒ

Wie gelingt ein ausgewogener Alltag?
12 Tipps für eine optimale Work-Life-Balance

1) Wechsel von Aktion und Erholung
Stress ist völlig normal, solange er nur kurz andauert, beispielsweise bei einem Notfall oder einem sehr dichten Arbeitstag. Danach sollte aber Erholung folgen. Dauerstress hingegen macht krank und führt zu physischer und seelischer Erschöpfung.
2) Jeden Tag ein bisschen
Dosieren Sie Ihre Tätigkeiten, z.B. halten Sie Ordnung. Jeden Tag fünf Minuten die Wohnung oder den Schreibtisch aufzuräumen fällt leichter, als am Wochenende vor dem kompletten Chaos zu stehen.
3) Pausen
Machen Sie regelmäßig Pausen an der frischen Luft. Öffnen Sie mehrmals für fünf Minuten das Fenster, blicken Sie auf die Natur und atmen Sie tief durch. Machen Sie mittags einen kleinen Spaziergang.
4) Medienfreies Essen
Essen Sie bewusst und ohne Stress. Stille oder ein bisschen Plaudern wirkt entspannender als das Handy, das Fernsehen oder die Zeitung.
5) Leichte Bewegung
Bewegen Sie sich. Ein leichter Dauerlauf oder Walk nach der Arbeit, die Treppen in der Arbeit – das macht den Kopf frei, löst Verspannungen und schüttet Glückshormone aus.
6) Vertrauen in den anderen
Teilen Sie die Aufgaben im Haushalt auf alle Familienmitglieder auf. Wer immer alles selber machen will, aus Angst, andere könnten es verkehrt machen, schadet sich selbst.
7) Zeitplanung
Teilen Sie Ihr Leben in vier Bereiche ein: Arbeit, Körper/Gesundheit, Kontakte, Sinn/Selbstverwirklichung. Planen Sie jede Woche, wie viel Zeit Sie jedem Bereich widmen wollen und halten Sie dies auch ein.
8) Relax-Time
Vereinbaren Sie Termine mit sich selbst, in denen Sie Dinge machen, die Ihnen Freude bereiten und wirklich entspannend sind.
9) Chillen mit Freunden
Vernachlässigen Sie Ihre Freunde nicht. Anstatt den Ausgehabend aus Zeitnot und Müdigkeit immer wieder zu verschieben, vereinbaren Sie von vornherein ein Treffen von 20 bis 22 Uhr. So kommen Sie zeitig nach Hause und hatten trotzdem einen netten Abend.
10) Sinnhafte Tätigkeit
Überprüfen Sie, ob Ihr Job Ihren Bedürfnissen entspricht. Wenn nur noch die Arbeit Ihr Leben bestimmt und Sie jeden Abend erschöpft ins Bett fallen, ziehen Sie einen Arbeitswechsel infrage. Wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber zufrieden sind, könnten Sie auch über eine andere Position verhandeln, in der Sie mehr Ihren Bedürfnissen entsprechend arbeiten und mehr Lebensqualität für Sie spürbar wird.
11) Regelmäßige Retrospektive
Reflektieren Sie die jeweils gegenwärtige Situation von Zeit zu Zeit, um Ihr Leben neu ausrichten zu können. Meditieren oder die Natur kann helfen, sich selbst näher zu sein.
12) Lächeln
Mit einem Lächeln kommt Leichtigkeit ins Leben, Serotonin wird ausgeschüttet, und die Freundlichkeit zu sich selbst ist auch für andere ansteckend.

Autorin
Sabine Neuhaus
Redakteurin Klösterl-Journal, Coach,
Heilpraktiker für Psychotherapie (HPG), Yogalehrerin

»Als Hochsensible, Mutter und auch sonst vielseitig handelnder Mensch kann ich ein Lied davon singen, dass ein Ausrichten des täglichen Lebens nach seinen Bedürfnissen, vor allem nach Ruhe, so wichtig ist. Mein Körper ist dabei mein Kompass, der mir sehr genau spiegelt, wenn ich wieder ins Gleichgewicht kommen und mehr Ruhephasen einbauen darf. Meine Tätigkeit als Yogalehrerin ist dabei optimal, die innere Mitte regelmäßig zu spüren.«