HORMONE

Alarmbereitschaft

Schilddrüse

 

Unser Körper verfügt über die unterschiedlichsten Mechanismen, die Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu steuern und somit auch den Umgang mit herausfordernden, kräftezehrenden („stressigen“) Situationen überhaupt zu ermöglichen. Stress (engl.: Druck, Belastung, Spannung) bezeichnet in der Medizin eine Alarmreaktion unseres Körpers und unserer Psyche, die sich als gesteigerte Aktivität des vegetativen Nervensystems und endokriner Organe zeigt. Ausgelöst werden kann diese Reaktion durch ganz unterschiedliche und unspezifische Einflüsse, auch Stressfaktoren genannt, so z.B. durch Infektionen und Verbrennungen, durch Lärm oder plötzliches Licht, durch Ärger, aber auch durch Freude.

Psychologie
Die Psychologie unterscheidet zwischen positivem Stress (Eustress), der unseren Körper zur Bewältigung und Lösung einer schwierigen Aufgabe befähigt, und Disstress, einer durch negative Faktoren hervorgerufenen Stressreaktion, die als unangenehm, belastend und überfordernd empfunden wird.

Stressantwort
Die Art und Weise, wie unser Körper auf Stress reagiert, ist seit Urzeiten unverändert, obwohl sich unsere Lebenssituation deutlich verändert hat. So ist unser Organismus perfekt für plötzliche, kurzfristige Stresssituationen ausgelegt, wie sie unsere Vorfahren z.B. beim Jagen oder beim plötzlichen Auftauchen von Gefahren erlebt haben. Durch die Entscheidung in der individuellen Situation, für Flucht oder für Kämpfen, wurden die vermehrt ausgeschütteten Stresshormone und -botenstoffe durch die vermehrte Bewegung und Muskelarbeit wieder abgebaut und so die Rückkehr zu einem ausgeglichenen Stoffwechsel (Entspannung) ermöglicht.

Vegetatives Nervensystem
Unser vegetatives Nervensystem steuert alle unwillkürlichen Körperfunktionen wie u.a. Atmung, Herztätigkeit und die Darmperistaltik. Dabei ergänzen sich sympathische und parasympathische Nervenfasern in ihrer Arbeit: Impulse zur Leistungssteigerung und zum Stoffwechselabbau werden vom Hypothalamus über den Sympathikus vermittelt. Eine Aktivierung des Parasympathikus („Ruhenerv“) durch den Hirnstamm begünstigt eine aufbauende, regenerative Stoffwechsellage und Erholungsphase.

Nebennierenmark
Durch den kurzfristigen Einfluss von Stressfaktoren (akuter Stress) werden schnell und unmittelbar über sympathische Nervenfasern die Zellen des Nebennierenmarks zur vermehrten Ausschüttung von Adrenalin und Noradrenalin angeregt: Der Herzschlag wird beschleunigt, die Aufmerksamkeit erhöht und die Bronchien werden geweitet, so dass eine große Lungenkapazität zur Verfügung steht. In der akuten Stresssituation sind Speichelfluss, Verdauung und auch sexuelle Erregbarkeit unwichtig und werden daher gehemmt. Um schnell den Blutglukosespiegel zu steigern und so schnell Energie für Muskelarbeit zur Verfügung stellen zu können, wird in der Leber der Abbau von Glykogen zu Glucose gesteigert.

Hormonelle Stressantwort (Nebennierenrinde)
Dauern die Stressfaktoren an, so leitet der Hypothalamus das Stresssignal durch Ausschüttung des Hormons Corticoliberin an die Hypophyse weiter, die vermehrt das Hormon Adrenocorticotropin (ACTH) ausschüttet. Dieses Hormon aktiviert die Nebennierenrinde zu einer vermehrten Produktion und Ausschüttung des Stresshormons Cortisol. Cortisol sorgt vor allem für eine schnelle Bereitstellung von Energie, indem es durch Nutzung verschiedener Mechanismen den Blutzuckerspiegel anhebt. Hiervon leitet sich auch die Bezeichnung Glukokortikoid ab.

Cortisol
Das Hormon Cortisol wird jedoch nicht nur zur Bewältigung von Stresssituationen benötigt. Es ist für unseren Körper lebensnotwendig und wird über den Tag hinweg in unterschiedlichen Mengen produziert (zirkadianer Rhythmus). In den frühen Morgenstunden findet die maximale Produktion statt, um uns optimal auf den Start in den Tag mit allen Herausforderungen vorzubereiten. Physiologisch sinkt die Cortisol-Produktion am Abend, sodass wir einen guten und erholsamen Schlaf finden können.
Als Grundgerüst für die Produktion von Cortisol in den Zellen der Nebennierenrinde dient Cholesterin, das auch für die Produktion der anderen Steroidhormone (Sexualhormone: Progesteron, Östrogene, Testosteron; Mineralokortikoide: Aldosteron) benötigt wird.
Wie alle Hormone ist auch Cortisol in das große, fein abgestimmte Hormonräderwerk unseres Organismus eingebettet. Veränderungen an einem Rädchen haben immer auch Auswirkungen auf die anderen Beteiligten.
So beeinflussen hohe Cortisol-Spiegel die Produktion unserer Sexualhormone und auch die Funktion unserer Schilddrüse. Die Immunabwehr wird unter dem Einfluss von Cortisol genauso gehemmt wie Entzündungs- und Schmerzreaktionen und auch der Knochenstoffwechsel. Cortisol aktiviert den Stoffwechsel für eine größere Leistungsbereitschaft, „Dauerbaustellen“ wie die Reparatur von Bindegewebe oder die Verdauung sind in diesem Moment unwichtig und werden vernachlässigt bzw. gehemmt.

Ausufernde Stresssituation
Halten die Stressfaktoren an oder kann der Körper die Alarmreaktion nicht drosseln, so bleiben auch die Stresshormonspiegel über lange Zeiträume erhöht. Dies steht der physiologischen Rhythmik des Hormonsystems entgegen und kann sich in einer Vielzahl von Symptomen äußern: vom erhöhten Blutdruck über Schlafstörungen (durch Störung des Melatonin-Stoffwechsels) von Verspannungen der Muskulatur, einer erhöhten Infektanfälligkeit bis hin zu Osteoporose, Magenschleimhautentzündungen („Stress-Gastritis“) oder auch der Ausprägung eines metabolischen Syndroms mit Störungen des Glukosestoffwechsels.
Nach und nach kann Dauer-Alarm zu einer Überforderung der hormonproduzierenden Zellen und zu einer Überstimulation der entsprechenden Rezeptoren und Nervenzellen führen. Depression, Gedächtnisstörungen, Libidoverlust, Lethargie und schwere Störungen des gesamten Stoffwechsels (Hormon-, Energie-, Knochen-, Muskelstoffwechsel) können mögliche Folgen eines solchen „Burn-Outs“ sein.

Stressbewältigung
Um die Entspannung nach kräftezehrenden Situationen zu fördern, ist es wichtig, auslösende Stressfaktoren zu erkennen, zu prüfen, ob an der Situation etwas geändert werden kann, und zu lernen, anders damit umzugehen. Auch eine gute Versorgung mit Mikronährstoffen und Vitaminen ist Voraussetzung für einen belastbaren Stoffwechsel. B-Vitamine sind wichtig für unsere Nervenzellen, sekundäre Pflanzenstoffe können unseren Zellen helfen, überschüssige Radikale und damit oxidativen Stress besser zu bewältigen. Coenzym Q10 unterstützt die Kraftwerke unserer Zellen, die Mitochondrien, in ihrer Arbeit. Für einen reibungslosen Energiestoffwechsel spielt die Ernährung mit wertvollen Fetten (z.B. in Mandeln, Walnüssen, Leinöl) eine wichtige Rolle. Darüber hinaus hilft ausreichend Schlaf und viel Bewegung unserem Organismus, eine gesunde Balance zwischen Anspannung und Entspannung zu finden. ƒ

Autorin
Maria Keller
Apothekerin
»In unserem Alltag werden wir mit vielen Herausforderungen konfrontiert, ob in Ausbildung und Studium, im Beruf oder Familien- und Haushaltsmanagement. Wichtig für unsere Gesundheit ist, dass wir es schaffen, immer wieder in Ruheoasen zurückzufinden, die Anspannung zu unterbrechen und neue Kräfte zu sammeln.«