Wer war eigentlich…?
Hildegard von Bingen
1098 – 1179
Wisse die Wege – die Posaune Gottes
Hildegard von Bingen gehört zu den größten Mystikerinnen Deutschlands und zu den heilenden Frauen, die eine bemerkenswerte Lebensgeschichte vorweisen. Sie war Äbtissin eines Benediktinerklosters, Künstlerin und Wissenschaftlerin, Mystikerin und Heilkundige, Dichterin, Autorin, Komponistin, Philosophin, Visionärin und Universalgelehrte, die unerschrocken und politisch engagiert die Regeln des klerikalen Lebens in Frage stellte, Missstände aufdeckte, für Reformen für ein besseres Leben eintrat und so zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten ihrer Zeit wurde. Anerkannt nicht nur durch ihre Bildung, sondern v.a. wegen ihrer moralischen Integrität und Unbestechlichkeit. Nur Gott fühlte sie sich verpflichtet.
“Alle Kraft kommt von Gott, von der göttlichen Liebe.”
Sie verstand sich als „geöffnete Tür, durch die Gott hindurchtritt“, als „die Posaune Gottes“, die den Menschen die göttliche Botschaft überbringt. Heute würde man sie als Medium betrachten, die ihr Wissen aus dem Universum und der Natur zieht. Sie gab mehrere Werke heraus, darunter das berühmte Erstwerk „Scivias“ (Wisse die Wege), worin sie einen großen heilsgeschichtlichen Bogen von der Schöpfung der Welt und des Menschen über das Werden und Sein der Kirche bis zur Erlösung und Vollendung am Ende der Zeiten spannt.
Gott ist immer da
Als zehntes Kind in eine adlige, wohlhabende Familie geboren in Bermersheim vor der Höhe, wurde sie mit 8 Jahren der Kirche überantwortet, wo sie mit den Werken der Kirche in Schrift und Musik vertraut wurde. Sie erlebte Gott immer wieder in ihren Visionen als gleißendes Licht, das sie erfüllte und ergriff.
Entscheidende Vision
„Als ich 42 Jahre und sieben Monate alt war, kam ein feuriges Licht mit Blitzesleuchten vom Himmel hernieder. Es durchströmte mein Gehirn und durchglühte meine Brust, und plötzlich erschloss sich mir der Sinn der Schriften. Ich vernahm eine Stimme von Himmel, die zu mir sprach.“
Als sie die dem Männerkloster angegliederte Frauenklause übernommen hatte, fühlte sich der Aufgabe zunächst nicht gewachsen und wurde schwer krank. Sie wurde gesund als sie der Stimme des Himmels folgte: „Sage und schreibe, was du siehst und hörst“. Immer wieder war ihr eigener Körper für sie Kompass, wenn sie dem Ruf Gottes stärker folgen sollte, so auch, als sie ein eigenes Frauenkloster auf der anderen Rheinseite wider alle Bestrebungen des damaligen Abtes Kuno schlussendlich doch gründen konnte.
1147 erkannte Papst Eugen III. auf der Synode in Trier Hildegard offiziell als Seherin an. Das gab ihr eine neue Machtposition, mit der sie immer selbstbewusster und dem damaligen Zeitgeist entgegentreten konnte. Heiliggesprochen wurde sie erst 2012 von Papst Benedikt XIV.
Ihr Heilansatz
So wie Krankheiten auf verschiedenen Ebenen entstehen, muss auch Heilung ganzheitlich ansetzen und Maßnahmen für Körper, Seele und Geist umfassen: Ernährungsumstellung, innerer Rückzug, Ordnung, seelische Läuterung, aber auch Reinigungsverfahren wie Sauna, Bäder, Fastenkuren, Aderlass, Schröpfen sowie die Anwendung zahlreicher pflanzenheilkundlicher Mittel. Die Äbtissin wurde nicht müde, an die Einbettung des Menschen in den Kosmos zu erinnern. Nach ihrer tiefen christlichen Überzeugung kommt der Mensch heil und gesund auf die Welt. Je mehr er sich von Gott entfernt, entfremdet er sich jedoch auch von sich selbst. Die Hildegard-Medizin wird heute als teil der 6 Regeln ihrer Ordnungstherapie eingesetzt, um den Menschen einen Weg zu einer bewussten, die Gesundheit erhaltenden Lebensführung zu zeigen.
So aktuell wie nie
Sie war höchst modern. Oder müssen wir heute wieder „modern“ werden? Jedenfalls mussten wir „modernen“ Menschen den Glauben an ganzheitliche Heilung erst wieder neu entdecken. Für Hildegard von Bingen war es damals schon ganz klar: Körper, Geist und Seele sind eine untrennbare Verbindung und beeinflussen sich gegenseitig. „Leib und Seele sollen eine gute Ehe miteinander führen.“ Sie beschäftigte sich bereits im Mittelalter damit, dass der Geist, der bis in die inneren Organe wirke, gereinigt und immer wieder befreit werden müsse. Hinter all dem steht für Hildegard von Bingen die Kraft Gottes, die die eigentliche Heilung bewirkt. Heute würde man es „Meditation“, „ganzheitlich heilen“, „Psychosomatik“, „Gedankenheilen“, „die Kraft des positiven Denkens“, „Balanciertes Leben“, „Gesund durch gute Ernährung“ und „Heilung durch die Kraft der Natur“ nennen.
„Das rechte Maß in allen Dingen.“
So aktuell wie nie profitieren wir heute stark von der vielfältigen auf der Heilig- und Vollkommenheit der Natur basierenden Hildegard-Medizin.