Traditionelle Chinesische Medizin
Organuhr
Teil XI – Gallenblase
Das chinesische Schriftzeichen für Galle „dăn“ 膽 steht auch für das Verständnis von Tapferkeit und Mut in der traditionellen chinesischen Kultur. Davon abgeleitet wird beispielsweise der Ausdruck „yī shēn shì dǎn“
身是膽, was wörtlich übersetzt „der ganze Körper ist Gallenblase“ heißt und eine Person beschreibt, die keine Angst kennt und die absolute Verkörperung von Tapferkeit und Mut zeigt.
Dieser kleine Einblick in die Etymologie des Wortes „Galle“ erschließt anschaulich die geistig-seelische Ebene, die in der chinesischen Medizin diesem Organ zugemessen wird. Wenn jemandem „die Galle hochkommt“ oder wenn jemand „Gift und Galle spuckt“, ist diese Person sehr wütend oder cholerisch, mitten in einem Zornausbruch – so kennen wir die Verwendung auch im deutschen Sprachgebrauch. Umgekehrt wird für Mut und Entscheidungskraft eine gut fließende und kräftige Gallenenergie benötigt.
Von der Physiologie des Körpers her betrachtet liegt die Gallenblase in einer kleinen Ausbuchtung unterhalb der Leber. Die in der Leber produzierte Gallenflüssigkeit wird darin konzentriert und über den Gallengang an den Dünndarm abgegeben, je nach Bedarf des Verdauungstraktes. Bei großer Anspannung im Körper, wenn die Galle nicht mehr reibungslos abfließt, kann sich die Gallenflüssigkeit anstauen und zu Entzündungen der Leber oder auch zu Gallensteinen führen.
Der Gallenblasenmeridian
Der Gallenblasenmeridian verläuft fast durch den ganzen Körper, beginnend am äußeren Augenwinkel, im Zickzack über Schläfen, dann bis zum Schultergelenk und von dort seitlich über die Rippen und Beinaußenseite bis zur äußersten Spitze des vierten Zehs. So sind auch Spannungen im Nacken-/Schulterbereich oder Kopfschmerzen und Migräne oft ein Zeichen für einen geschwächten Gallenblasenmeridian.
Den stärksten Energiefluss hat der Gallenmeridian zwischen 23 und 1 Uhr, genau in der Zeit, wenn der Körper in den Tiefschlaf der Nachtruhe abtaucht. War das Abendessen sehr fettreich und liegt noch im Magen, ist die Galle beschäftigt, ausreichend Flüssigkeit zu produzieren, um die Fettverdauung zu ermöglichen. Wenn dann die Anspannung des vergangenen Tages noch in den Gelenken steckt oder ein „unverdautes“ Ereignis wieder hochkommt, lässt der Schlaf manchmal auf sich warten. Für die Beruhigung der Gedanken im Kopf kann helfen, Papier und Stift neben dem Bett liegen zu haben und die noch ungeklärten Dinge zu notieren, so dass man beruhigt den Tag beenden und die Entscheidungen oder Handlungen am nächsten Tag fortsetzen kann. Was die Verdauung betrifft empfiehlt es sich, das Abendessen möglichst früh, um 18 Uhr herum, einzunehmen und auf bekömmliche, leichte Kost zu achten. War es dennoch etwas zu viel, dann helfen Kräuter und Gemüsearten mit Bitterstoffen (z.B. Rucola, Radicchio, Löwenzahn, Artischocke), den Gallefluss anzuregen. (cw)